von Anton Nymous
Rechte Verschwörungstheoretiker behaupten gerne, die Regierung Merkel würde die Bundesrepublik in eine kommunistische Diktatur transformieren. Wie man auf solch eine aberwitzige Idee kommen kann, ist schleierhaft. Ob während der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie – die deutsche Bundesregierung hat immer hunderte Milliarden von unten nach oben verteilt. Statt einer Vermögenssteuer gibt es Steuergeschenke für Reiche und statt einem bedingungslosen Grundeinkommen gibt es für den Rest der Bevölkerung Lohndumping und Hartz IV-Sanktionen. Neoliberaler geht es kaum noch, es sei denn, Merz wird der nächste Bundeskanzler.
Wo der Staat die Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Rechten einschränkt, ist ebenfalls kaum zu erkennen. Ob Naziaufmärsche oder von Faschisten unterwanderte Querdenken-Demos, bisher hat die Staatsgewalt über so ziemlich jeden Auflagenverstoß hinweggesehen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren stets sehr lasch und einige Polizisten solidarisierten sich gar völlig offen mit rechtsextremen Demoteilnehmern. Man denke nur an den Sturm auf den Reichstag im August oder die außer Kontrolle geratene Demo in Leipzig vom November 2020.
Erst nach diesen und weiteren Eskalationen wurde dann doch die Reißleine gezogen und zunehmend Querdenken-Demos verboten. Allerdings nicht, um deren Meinung zu unterdrücken, sondern wegen der Nichteinhaltung der Hygieneauflagen bei rasant steigen Infektionszahlen. Sobald die Pandemie unter Kontrolle ist, werden die Querdenker, Reichsbürger, Impfgegner und rechtsextreme Hooligans wieder ungehindert durch die Straßen marschieren dürfen.
Für die Linken gilt dies hingegen nicht. Schon am 9. November 2020 wurden noch vor dem harten Lockdown zahlreiche Pogromnachtsgedenken untersagt, während Pegida an diesem historisch vorbelasteten Tag weiter demonstrieren durfte. Einen größeren Hohn gegenüber den Opfern der Shoa konnte sich Dresden kaum ausdenken. Es ist ziemlich offensichtlich, auf wessen Seite die Behörden und Gerichte stehen.
Es gibt aber noch weitere Belege für das Fortbestehen des 3. Reiches in den Strukturen der BRD. Zwar sind die personellen Kontinuitäten inzwischen altersbedingt Geschichte und die meisten Naziverbrecher von damals tot, aber sie haben einen fruchtbaren Nährboden hinterlassen. Das belegen rechtsextreme Netzwerke wie Nordkreuz und Uniter im Militär sowie in den Sicherheitsbehörden. Zudem fliegen immer wieder faschistische Chatgruppen bei der Polizei auf, die dennoch weiter vom Bundesinnenminister Seehofer (CSU) gedeckt werden.
Sollte es da verwundern, dass Polizisten bei rechten Demos stets Milde walten lassen und sogar Selfies mit den Teilnehmern machen, während bei linken Demos „Knüppel aus dem Sack“ angesagt ist? Der jüngste Vorfall ereignete sich auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo am 10. Januar 2021 in Berlin. Ironischerweise war diese Demonstration dem Gedenken an die beiden KPD-Abgeordneten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gewidmet, welche am 15. Januar 1919 von rechten Freikorps ermordet wurden. Die Berliner Polizei spielte schon damals eine unrühmliche Rolle.
Doch was veranlasste die Schlägertrupps der Polizei eigentlich dazu, eine friedliche Demonstration zu attackieren und dabei sogar auf einen Mann im Rollstuhl einzudreschen? Grund waren eine Handvoll FDJ-Mitglieder, die in Blauhemden und mit Fahnen erschienen waren. In den Augen der Beamten eine vermeintlich strafbare Handlung, die sofort mit Prügeln geahndet wurde.
Ein solch hartes Durchgreifen wäre beim Zeigen von Reichskriegsflaggen und Merkelpuppen am Galgen undenkbar. Aber bei den Rechten drückt man gerne mal ein Auge zu. Vorzugsweise das rechte, wie bei den tausenden „Sieg Heil“-Rufen mit Hitlergruß auf dem Nazifestival 2017 in Themar. Bei den Linken reicht es dagegen schon völlig aus, wenn den Beamten der Blauton eines Cosplays zu dunkel ist.
Einige Politiker der Linkspartei suchten das Gespräch mit der Polizei, um sie darauf hinzuweisen, dass es sich bei den FDJ-Hemden und Flaggen nicht um verfassungsfeindliche Symbole handelt. Zwar wurde die FDJ bereits in den 1950ern genauso wie die KPD in der BRD verboten, doch dieses Verbot gilt nicht für die neuen Bundesländer. Laut Einigungsvertrag von 1990 durften in Ostdeutschland keine Organisationen der ehemaligen DDR verboten werden. Da Berlin nun einmal im Osten der Republik liegt, ist die Rechtslage also eigentlich klar.
Obwohl es bereits Gerichtsurteile zu dieser Frage gibt, sahen die Berliner Polizei und Staatanwaltschaft das anders. Der Fall muss also wohl erneut vor Gericht. Doch selbst wenn die FDJ-Aktivisten abermals Recht bekommen, werden die uniformierten Berufschläger mit ihrer dutzendfachen Körperverletzung wieder einmal ungestraft davonkommen. Wer Linke hasst und Bock auf Gewaltexzesse hat, der muss sich bei der Polizei bewerben. Da bekommt man einen Freibrief für so ziemlich jede Straftat.
Eine solche liegt hier auf jeden Fall vor, denn zum einen gab es weder Auflagenverstöße noch verfassungswidrige Handlungen seitens der Demoteilnehmer, noch war der Polizeieinsatz in irgendeiner Weise verhältnismäßig. Die Beamten hätten die FDJ-Mitglieder auch auffordern können, die Fahnen einzurollen. Erst nach dem brutalen Angriff kam es durch die Attackierten zu Abwehrreaktionen. Notwehr gegen die Polizei zählt selbstverständlich als „Widerstand gegen die Staatsgewalt“.
Da Berlin von einer rosa-rot-grünen Koalition regiert wird, deren LINKE-Abgeordnete teils Zeugen der staatlichen Gewaltorgie waren, bleibt zu hoffen, dass dieser Angriff auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Die Berliner Polizei muss umgehend entnazifiziert werden. Eine Ermittlung gegen die beteiligten Beamten ist dringend geboten und wer weiß, was da wieder für Chatprotokolle mit rassistischen Hasskommentaren und Hakenkreuzbildchen zu Tage treten könnten.
Leider sind solche Hoffnungen illusorisch. Dieser jüngste Fall von Polizeigewalt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder einmal ungestraft bleiben und medial unter den Teppich gekehrt. Ein gefährliches Signal, denn es ermuntert rechte Kräfte in der Polizei, immer wieder zuzuschlagen oder sich gar auf einen Tag X vorzubereiten. Eine Polizei, die einen Putsch gegen die Demokratie unterstützt, die sie eigentlich schützen sollte, das wäre mitnichten etwas Neues.
Gewiss sind nicht alle Beamten so drauf und auch in Berlin gab es viele, die sich nicht an dem Übergriff beteiligt haben. Verfassungstreue Polizistinnen und Polizisten haben es jedoch bei den seit 1945 gewachsenen Strukturen schon jetzt schwer, sich durchzusetzen und Missstände aufzudecken. Zumal der derzeitige Bundesinnenminister unabhängige Ermittlungen durch eine nichtpolizeiliche Behörde strikt ablehnt und damit alle aufrechten Demokraten innerhalb der Polizei im Stich lässt. Sollte sich der Rechtsruck weiter fortsetzen, steht am Ende sogar zu befürchten, dass der gesamte Staatapparat ideologisch von allen verfassungstreuen Beamten gesäubert wird.