von Joe Doe
“Fear Street” ist eine ganze Filmtrilogie, die in einem einzigen Jahr abgedreht wurde. Es handelt sich um eine Romanverfilmung des Autor R. L. Stine, der als Kinder- und Jugendbuchautor gilt. Diese Slasher-Reihe ist allerdings dermaßen brutal und blutrünstig, dass sie nicht für Jugendliche und erst recht nicht für Kinder geeignet ist. Ganz zu schweigen von dem hochgradig okkulten Thema, welches schon der Titel des dritten Teils verrät.
Der erste Film „Fear Street 1994“ beginnt mit einer Mordszene in einer Einkaufsmall. Dort ist in einem Buchladen eine Reihe von Horror-Romanen eines Robert Lawrence zu sehen. Das ist ein kleiner Insider-Gag, denn dies sind die beiden Vornamen des Autors von „Fear Street“.
Was folgt, ist eine Aneinanderreihung von Horrorfilmklischees. Ein Killer, der als Sensenmann verkleidet ist, macht Jagd auf ein Mädchen. „Scream“ lässt grüßen. Als die Schülerin in einem Trödelladen vor einem Regal mit Schädelmasken stehenbleibt, erschrickt sie sich. Keine Sekunde später steht tatsächlich der Killer hinter ihr. Wie er plötzlich dahin gekommen ist? Weil’s im Drehbuch steht!
Im Rest des Films geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die es mit dem vermeintlichen Fluch einer Hexe zu tun bekommt. Im Zentrum steht das lesbische Pärchen Samantha (Olivia Scott Welch) und Deena (Kiana Madeira). Bei einem Unfall blutet Sam unabsichtlich auf die Knochen der angeblichen Hexe Sarah Fier, die schon seit über drei Jahrhunderten am Straßenrand herumliegen. Daraufhin wird sie von Serienkillern verfolgt, die den Ortsteil Shadyside über Generationen heimgesucht haben und die eigentlich allesamt lämgst tot sein sollten.
Wie sich herausstellt, werden die untoten Killer von Sams Blut angezogen und ignorieren alle Personen, die nicht damit in Berührung gekommen sind. Aus unerfindlichen Gründen töten sie dann aber doch völlig Unbeteiligte, womit sich der Film selbst widerspricht. Hauptsache, es fließt literweise Blut.
Um den Fluch zu brechen, wird Sam von ihren Freunden getötet und danach wiederbelebt. So, glauben sie, sei das Opfer erbracht und tatsächlich verschwinden die untoten Killer zunächst. Wie sie von der Überlebenden des letzten großen Massakers von 1978 erfahren, ist der Fluch damit jedoch keineswegs aus der Welt.
Hier setzt der zweite Teil „Fear Street 1978“ an. In diesem schildert Cindy (Emily Rudd), wie in genanntem Jahr der Freund ihrer Schwester zum psychopathischen Amokläufer mutiert ist und die Besucher eines Kindercamps abgeschlachtet hat. Bei den Szenen, in denen Kinder unter 16 Jahren massakriert werden, wird zum Glück abgeblendet. Die Morde an den älteren Jugendlichen werden dagegen in allen Details gezeigt. Die Kamera hält voll drauf, wenn Schädel gespalten und Highschool-Mädchen mit der Axt zerteilt werden.
Am Ende stirbt auch Cindy, wird allerdings vom zukünftigen Sheriff Nick Goode (Ted Sutherland/Ashley Zukerman) wiederbelebt. Soweit die Vorgeschichte, doch zu dieser gibt es noch eine weitere Vorgeschichte. Diese wird im dritten Teil erzählt, in dem es Deena ins Jahr 1666 verschlägt. In einer Vision erlebt sie die damaligen Geschehnisse aus der Perspektive von Sarah Fier, wobei auch alle anderen Rollen von den bereits bekannten Darstellern gespielt werden. So spart man Gagen.
Als es in der Gemeinde Union zu seltsamen Vorkommnissen wie Schimmelbefall und Brunnenvergiftungen kommt, ist für die Einwohner schnell klar, dass dies das Werk einer Hexe sein muss. Nachdem der Dorfpriester durchgedreht ist und seinen Schäfchen die Augen ausgestochen hat, fällt der Verdacht auf Sarah Fier. Einzig Solomon Goode hält zu ihr, weil er sie begehrt. Doch wie später auch Deena ist Sarah lesbisch und das zu einer Zeit, wo dies gesellschaftlich noch weit weniger akzeptiert war als 1994.
Dennoch bietet Solomon ihr ein Versteck in seinem Haus an, wo sie herausfindet, wer wirklich hinter dem Fluch steckt. Unter Goodes Haus befindet sich eine Höhle, in der auf dem Boden ein okkultes Symbol prangt. Es besteht aus einer Pyramide, deren Linien gleichzeitig Teil eines Pentagramms sind. In der Mitte der Pyramide brennt sinnbildlich ein Auge.
Neben diesem Symbol wurde eine Ziege geopfert, deren Schädel noch dort herumliegt.
In den Linien des Zeichens fließt eine dunkle Flüssigkeit, die an Black Goo erinnert.
Goode ist der wahre Hexenmeister, der in seiner Freizeit mit schwarzer Kapuze Satan beschwört. Wenn sein Orden größer wäre, hätte er vielleicht schon eine rote Kapuze, aber dennoch zeigt sich hier, dass die Schöpfer dieses okkulten Machwerks sich bestens mit den Praktiken der Satanisten auskennen.
Natürlich darf dabei nicht das obligatorische Buch mit Beschwörungsformeln fehlen, in welchem der Baphomet abgebildet ist. Das ist dann aber doch ein ziemlicher Fauxpas seitens der Macher, denn die moderne Darstellung des Baphomet wurde erst im Jahr 1854 von Éliphas Lévi geprägt.
Nachdem Solomon Sarah die rechte Hand abgeschlagen hat, entkommt sie ihm, aber nicht dem wütenden Mob, der sie und ihre lesbische Freundin hinrichten will. Um ihre Geliebte vor der Ermordung zu schützen, bekennt sie sich der Hexerei für schuldig und wird gehängt. Die Gemeinde Union spaltet sich derweil in den wohlhabenden Stadtteil Sunnyvale und das vom Fluch geplagte Shadyside. Soweit also die Legende. Der zweite Teil des dritten Films spielt dann wieder im Jahr 1994.
Da nun feststeht, dass die Familie Goode seit Jahrhunderten den Teufel heraufbeschwört und Jugendliche aus Shadyside als Werkzeuge für ihre Ritualmorde benutzt, kann der Fluch nur auf eine Weise gebrochen werden. In der Einkaufsmall stellen die Jugendlichen Sheriff Goode eine Falle. Die besessene Sam dient mit ihrem Blut als Köder für die untoten Psychokiller, womit sich Goodes eigene Waffen gegen ihn wenden. Der Schachbrettboden ist dabei allgegenwärtig.
Es ist eine Ironie, dass alles dort endet, wo der erste Film begonnen hat. Nämlich in der Mall, die in satten Neonfarben erstrahlt. Hier wurde viel mit Schwarzlicht und fluoreszierenden Farben gearbeitet, wobei Blut wohl in der Realität nicht in einem solch grellen Neongrün strahlt. Das Ganze wirkt durch die Farbgebung wie ein Drogentrip und tatsächlich findet sich in einem der Läden reichlich Werbung für bewusstseinsverändernde Substanzen. Übrigens war Marihuana 1994 in den USA noch nicht legalisiert.
Die Killermarionetten setzen sowohl dem Sheriff als auch ihresgleichen ziemlich zu, nachdem die Kids alle mit Sams Blut bespritzt haben. Den finalen Todesstoß darf jedoch Deena gegen Nick Goode ausführen. Ironischerweise in der Höhle unter der Mall, in der sein Urahn einst den Teufel heraufbeschworen hat. Deena und die nun vom Fluch befreite Sam nehmen einen anderen Ausgang, der in der Villa des Sheriffs endet. Wie es sich für einen Satanisten gehört, hat dieser seine Hütte mit Repräsentationen des Baphomet geschmückt.
An einer Wand hängt sein Familienstammbaum, der verdeutlicht, dass der Satanismus von Generation zu Generation weitergegeben wird. Links und rechts davon stehen wie die Säulen Jachin und Boas zwei weiße Kerzenständer mit schwarzen Kerzen.
Fazit: Wenn schon die 666 im Titel eines Films auftaucht, sollte der okkulte Inhalt nicht überraschen. Hier geht es um nichts Geringeres als eine satanistische Familientradition, die den Goodes Wohlstand und Führungspositionen in ihrer Gemeinde Sunnyvale verschafft. Dafür müssen die unterprivilegierten Bewohner von Shadyside im wahrsten Sinne des Wortes bluten. Satanismus und kapitalistische Klassengesellschaft gehen also Hand in Hand. Die reiche Elite herrscht über Leben und Tod der Armen.
Der Gewaltpegel dieser Filmreihe übersteigt dabei das übliche Maß von Slasher-Filmen wie „Halloween“ oder „Freitag der 13.“. Die Mordszenen sind richtig abartig und überhaupt nicht für ein junges Publikum geeignet. Als Zugabe gibt es noch reichlich Ungeziefer und Fäkalien oben drauf. Um sich daran zu ergötzen, muss man schon selbst ein Psychopath sein. Diese Filme scheinen von Satanisten für Satanisten gemacht worden zu sein.