von Anton Nymous
„Deutschland, aber normal“, unter diesem Slogan hielt die AfD vom 10. bis 11. April ihren Bundesparteitag in Dresden ab. Der Ort war sicherlich kein Zufall, ist Dresden doch das Zentrum von Pegida sowie jährliches Aufmarschgebiet für eine der größten Neonazidemonstrationen Europas, an der auch schon Björn Höcke 2010 teilgenommen hat.
Angesichts dessen fragt man sich, was die AfD unter einem „normalen“ Deutschland versteht? Deutsche Normalität wie jeden Montag in Dresden? Die deutsche Normalität im alten Kaiserreich, wo es noch Kolonien und lustige Pickelhauben gab? Die deutsche Normalität, die alles in ihren Augen Abnormale auszumerzen versuchte? Oder meint die AfD die neoliberale Normalität von heute, nur ohne Ausländer, Muslime, Linke und Homosexuelle?
Gegen letztere richtet sich die Forderung nach einem traditionellen Familienbild. Also Vater und Mutter, die nur Sex haben, um dem Staat Soldaten und Gebärmaschinen zu schenken. In der Jungen Alternative gibt es tatsächlich eine neue Strömung, die sogar Front gegen Masturbation macht. Offensichtlich ist den rechten Knalltüten nichts zu peinlich. Nicht einmal die Tatsache, dass ihre eigene Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, eine verheiratete Lesbe ist, die gemeinsam mit ihrer Partei gegen die Homoehe klagt. Was soll das werden? Will sie sich den Scheidungsanwalt sparen?
Noch lächerlicher ist die Forderung nach einem Minarettverbot. Zunächst einmal wird in Deutschland so schnell kein Muezzin jeden Tag um 4 Uhr morgens zum Gebet aufrufen. Das würde nämlich unter nächtliche Ruhestörung fallen. Minarette hätten also nur schmückenden Charakter. Außerdem geht von jedem Kirchturm mehr Lärm aus und dagegen unternimmt die AfD absolut nichts! Dabei ist das Christentum ebenfalls eine eingewanderte Religion aus dem Nahen Osten, die das einst für die Germanen normale Heidentum verdrängt hat.
Man fragt sich wirklich, ob es in Deutschland keine wichtigeren Probleme gibt? Zum Beispiel Kinderarmut, Altersarmut, sinkende Löhne und steigende Mieten. Was sagt die AfD dazu? Tatsächlich hat der Bundessprecher Tino Chrupalla ordentlich Kreide gefressen und versucht, der Partei einen sozialen Anstricht zu geben. Doch wenn dem so ist, warum lehnt die AfD dann den Mindestlohn ab und klagt gegen die Mietpreisbremse in Berlin? Wie es scheint, hat Chrupalla mit „sozial“ lediglich den sozialpatriotischen Flügel der Partei gemeint, dem er nahe steht.
Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Man ersetze einfach „patriotisch“ durch „national“ und ergänze am „sozial“ ein „ismus“. Das kann einfach kein Zufall sein, sondern ist vielmehr dieselbe Taktik, der sich auch die NSDAP einst bedient hat. Schon Hitler wusste, dass er keine Wahl gewinnen konnte, wenn er ausschließlich Klientelpolitik für seine stinkreichen Spender gemacht hätte. Mit den Zusätzen „Sozialistisch“ und „Arbeiterpartei“ hat er gezielt die Stimmen der arbeitenden Masse eingefangen und nichts anderes machen die AfD und andere rechte Parteien, wenn sie heute einen auf „sozial“ machen.
In Polen ködert die PiS-Partei ihre Wähler mit Almosen wie einer Kindergelderhöhung, wofür ihre Anhänger kurzsichtig die Pressefreiheit und Gewaltenteilung opfern. In Ungarn sieht es unter dem Despoten Victor Orban nicht anders aus und schlussendlich reiht sich auch der türkische Autokrat Erdogan in dieses Schema ein. Zuckerbrot für die eigene Gefolgschaft und die Peitsche für alle anderen. Das ist nicht sozial, sondern antisozial.
Am deutlichsten wird die arbeiterfeindliche Politik, wenn man sich das Steuerkonzept der AfD ansieht. Steuersenkungen und keine neuen Steuern klingt nur solange sozial, wie man darüber schweigt, um welche Steuern es geht. Von einer Mehrwertsteuersenkung würden natürlich noch alle profitieren, doch was Chrupalla nicht erwähnt hat, ist die Forderung nach der Abschaffung der Erbschaftssteuer und die Ablehnung einer Vermögenssteuer. Ebenso hat die AfD kein Konzept gegen Steuervermeidung durch Konzerne wie Amazon, Apple, Bayer und Co.
Statt sich geraubtes Vermögen zurückzuholen, wollen die Rechtspopulisten bei den Ausgaben sparen. Selbstverständlich nicht beim ständig steigenden Militäretat. Immerhin will die AfD sogar die Wehrpflicht wieder einführen. Stattdessen hat Crupalla den deutschen Sozialstaat angeprangert. Mit anderen Worten soll wieder einmal bei denen gespart werden, die ohnehin schon zu wenig für ein menschenwürdiges Leben haben. Damit könnte man sogar Peter Hartz als Sympathisant gewinnen.
Das alles ist bei genauerer Betrachtung Klientelpolitik für Superreiche. Wo ist da noch der Unterschied zur CDU/CSU, SPD und FDP? Die AfD ist mitnichten eine Alternative, sondern im Kern eine neoliberale Systempartei! Nicht einmal bezüglich Korruption und Spendengeldaffären unterscheiden sich die Rechtspopulisten von der Union. Wer sind eigentlich die Geldgeber der AfD? Neben zahlreichen wohlhabenden Unternehmern vor allem Milliardäre wie August von Finck und Henning Conle.
Ob der Abwahlantrag gegen Parteichef Jörg Meuthen auf dem Dresdner Bundesparteitag etwas mit dessen Verstrickung in den Spendenskandal zu tun hatte? Oder hat nicht eher die Ablehnung des Antrages etwas damit zu tun, dass die Partei nicht auf ihre wichtigsten Finanzquellen verzichten möchte? In jedem Falle ist die AfD genauso gekauft wie alle etablierten Parteien, mit Ausnahme der LINKEN, die als Einzige Parteiensponsoring ablehnt und dies sogar gesetzlich verbieten möchte.
An das Thema Sozialpolitik können wir bei der AfD also einen Haken dranmachen. Eine fast noch dreistere Lüge war, dass Chrupalla den Naturschutz für seine Partei annektierte. Ausgerechnet die AfD, die bisher keine Gelegenheit ausgelassen hat, abfällig über Fridays for Future und insbesondere über Greta Thunberg herzuziehen, will nun die Natur für sich entdeckt haben? Das kann eigentlich nur ein verspäteter Aprilscherz gewesen sein.
Noch bevor Chrupalla das Thema überhaupt aufgriff, hat er sich schon im Vorfeld selbst Lügen gestraft. Was er unter Naturschutz versteht, führte er nämlich gar nicht genauer aus. Stattdessen hatte zuvor schon die Energiewende strikt abgelehnt und für den Braunkohletagebau geworben. Angeblich werde der Strom durch erneuerbare Energien viel zu teuer. Was er dabei jedoch verschwieg, ist die Tatsache, dass Strom in Deutschland für die Normalverbraucher schon immer teuer war und ist, weil große Konzerne subventioniert werden. Je mehr Strom verbraucht wird, desto billiger wird es für die Endverbraucher. Da können normale Haushalte nun mal nicht mit großen Fabriken schritthalten.
Eine weitere Lüge war es, dass der Kohleausstieg Arbeitsplätze vernichten würde und gewachsene Dorfgemeinschaften auseinanderreiße. Zunächst einmal braucht es sinnvolle Konversionsprojekte, denn der Energiebedarf wird ja nicht weniger, sondern steigt. Für jeden schmuddeligen Arbeitsplatz in einer Kohlegrube könnten gleich zwei saubere Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen werden. Natürlich nur, sofern man das auch will.
Die Dorfgemeinschaften werden schlussendlich nicht durch den Kohleausstieg, sondern im Gegenteil durch den Braunkohletagebau auseinandergerissen. Wie viele Dörfer wurden schon platt gemacht, um gewaltige Wunden in die Erde zu reißen? Im Übrigen verschandeln die Kohlegruben die Landschaft viel mehr als Windräder. Aber darüber schweigt sich die selbsternannte Naturschutzpartei AfD freilich aus.
Es ist unfassbar, wie dreist auf dem Bundesparteitag gelogen wurde. Die Widersprüche sind dermaßen offensichtlich, da hätte Chrupalla auch gleich behaupten können, dass er abnehmen will und deshalb in Zukunft nur noch fettige Donuts mit Zuckerglasur frisst. Offensichtlich hält er die Wähler für total bescheuert und bedauerlicherweise könnte er damit bei einigen durchaus recht haben. Vor allem bei denjenigen, die von Xavier Naidoo und Atilla Hildmann derart hirngewaschen wurden, dass sie die Erde für eine Scheibe halten.
Oder manchen Wählern ist es schlichtweg egal, ob sie nach Strich und Faden belogen werden, solange nur die Ausländer verschwinden. Die Zuwanderung war – welch Überraschung – mal wieder ein zentrales Thema bei der Aufstellung des Wahlprogramms. Dabei wurden solch unsinnige Vorschläge gemacht, dass jeder, der sich einbürgern will, 5 Millionen Euro im Gepäck haben muss. Mit anderen Worten, sollen Flüchtlinge, die Schutz vor Krieg und Folter suchen, an der Grenze abgewiesen werden, während arabische Familienclans und Mafiamitglieder willkommen sind, weil die das nötige Kleingeld mitbringen. Geht’s noch?
Ein weiterer Antrag, der mit 58% knapp angenommen wurde, ist die Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der EU. Offenbar hat man nichts aus dem Brexit gelernt. Nicht nur hat der die britische Bevölkerung gespalten, er macht außerdem der Wirtschaft zu schaffen, denn nun müssen wieder Zölle gezahlt werden. Das macht auf der einen Seite Importe für das Vereinigte Königreich teurer und auf der anderen Seite schrumpfen die Exporte, weil die EU-Länder günstiger fahren, wenn sie untereinander Handel treiben.
Ja, die EU ist ein neoliberales Konstrukt, deren einflussreiche Kommission nicht demokratisch gewählt ist. An der EU gibt es viel zu kritisieren, darunter die krummen Deals mit dem türkischen Machthaber Erdogan oder das brutale Vorgehen von FRONTEX gegen Flüchtlinge. Irgendwie scheint es jedoch nichts davon zu sein, was die AfD an der EU so sehr missfällt.
Bei den Rechtspopulisten dreht sich vielmehr alles um ein verkorkstes Nationaldenken, was mit illusorischen Isolationswünschen einhergeht. So wollen die Patrioten zwar weiter Diesel fahren, vergessen dabei aber, dass Deutschland gar keine eigenen Ölfelder hat. Außerdem ist Deutschlands Wirtschaft in hohem Maße exportabhängig. Wie viele Arbeitsplätze werden denn verloren gehen, wenn plötzlich auf alle deutschen Produkte wieder Zölle gezahlt werden müssen? Nachdenken scheint ja keine Stärke des rechten Flügels zu sein.
Das gilt insbesondere für Björn Höcke, der auf dem Dresdner Bundesparteitag die Auflösung des Verfassungsschutzes forderte, sollte dieser nicht reformiert werden. Offensichtlich eine Trotzreaktion auf die Beobachtung der AfD durch selbigen. Dabei hat Höcke allerdings vergessen, dass der Verfassungsschutz Faschisten üppige V-Manngehälter zahlt und eher beim Aufbau rechter Strukturen wie dem Thüringer Heimatschutz und NSU geholfen hat, als diese zu bekämpfen. Nicht einmal die NPD wäre so blöd, ihren Hauptsponsor abschaffen zu wollen!
Die Auflösung des Verfassungsschutzes hat bisher nur DIE LINKE gefordert, da Bundes- sowie Landesämter von alten Nazis aufgebaut worden und bis heute von Neonazis durchsetzt sind. Warum Höcke damit nun ein Problem hat, ist nicht nachvollziehbar. Der Ruf nach einer Reformation scheint lediglich anzudeuten, dass ihm die Behörde nicht rechts genug ist. Offenbar lehnt er alles ab, was nicht einer ihm persönlich unterstellten Gestapo gleichkommt.
Es ist wahrlich kein Wunder, dass seine Forderung mehrheitlich auf Unverständnis traf. Vor allem in Hinblick auf die Thüringer CDU, die mit Hans-Georg Maaßen den ehemaligen Bundeschef des Verfassungsschutzes als Spitzenkandidat für die kommende Bundestagswahl aufgestellt hat, könnte dieser Vorstoß die angestrebte Zusammenarbeit beider Parteien gefährden. Andererseits: Gut so! Beide Parteien sind bei den letzten Landtagswahlen nicht ohne Grund abgestürzt. Das Letzte, was Deutschland braucht, ist eine rechte Koalition der Verlierer.
Noch weniger brauchen wir eine Liberalisierung des Waffenmarktes nach amerikanischem Vorbild. Obwohl es in Deutschland noch überhaupt keine starke Waffenlobby wie die NRA gibt, setzt sich die AfD mit ihrem Wahlprogramm bereits für eine solche ein. Sie folgt dabei der kruden Logik von Trump, dass mehr Waffen Amokläufe verhindern würden. Im Falle von Hanau hätte dies bedeutet, Migranten zu bewaffnen, damit diese sich gegen durchgeknallte Nazis zu wehren. Mit Sicherheit haben die Rassisten derartiges nicht im Sinn.
Vielmehr scheint es so, als wolle die AfD die durchgeknallten Nazis stärker bewaffnen, für den Fall, dass sie die Macht nicht durch Wahlen erlangt. Politische Morde wie der an Walter Lübcke dürften sich ebenfalls häufen, wenn nach Vorstellung der AfD Handfeuerwaffen bald in jedem Supermarkt zwischen Sportartikeln und Kinderspielzeug zu finden wären. In jedem Fall ist diese Forderung ein Schlag ins Gesicht aller Hinterbliebenen von Amokläufen wie in Halle, Hanau oder am Erfurter Gutenberggymnasium. Das ist nicht weniger als eine moralische Bankrotterklärung!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die AfD mit einem Programm in den Bundestagswahlkampf zieht, welches von haarsträubenden Widersprüchen durchzogen ist und die Wähler mit plattem Populismus zu blenden versucht. Es gilt die Devise: Nicht denken, sondern handeln! Zugeständnisse gibt es nur an die niedersten Instinkte und an die stinkreichen Geldgeber. Wer sich derart über den Tisch ziehen lässt, hat es eigentlich nicht anders verdient. Leider müssen alle anderen mit darunter leiden, wenn derartige Volksverarsche zur Normalität in Deutschland wird.