Blade Runner – Ein okkulter Haujobb

von Joe Doe

„Blade Runner“ gilt als ein Meisterwerk der Science Fiction und insbesondere als stilprägend für das Subgenre des Cyberpunks. Inhaltlich geht es um menschliche Roboter, Replikanten genannt, die auf Koloniewelten als Arbeitssklaven und Kanonenfutter eingesetzt werden. Als es zu einer Rebellion der Replikanten kommt, werden selbige auf der Erde verboten. Diejenigen, die auf die Heimatwelt zurückkehren, werden gejagt und getötet. Soweit der grundlegende Plot, der auf Philip K. Dicks „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ basiert.

Die Verfilmung hat Ridley Scott übernommen, der zuvor schon mit „Alien“ einen großen Hit abgeliefert hat. Einen Hit, der maßgeblich von dem Schweizer Künstler und Okkultisten H.R. Giger designt wurde. Es sollte nicht verwundern, dass sich entsprechende Symbolik durch alle Werke von Scott zieht, so auch durch „Blade Runner“. Bereits in der Eröffnungsszene folgt auf einen Flug über das futuristische Los Angeles ein allsehendes Auge.

Ganz ähnlich startet übrigens Ridley Scotts „Alien – Covenant“. Ironischerweise ist es in „Blade Runner“ das Auge eines Menschen, der Replikanten jagt, während es in „Alien – Covenant“ das Auge eines Androiden ist, der Menschen tötet. Und es gibt noch mehr Querverbindungen zwischen den beiden Franchises.

Doch weiter mit der Eröffnungsszene, in der als nächstes die gigantischen Pyramiden der Tyrell Corporation zu sehen sind. Eben jene Firma, welche die Replikanten herstellt, die nach wie vor als Arbeitssklaven nach Außerwelt verkauft werden dürfen.

Die Spitze der vorderen Pyramide wird sogar durch ein darüber fliegendes Fahrzeug illuminiert.

Dazwischen wird noch mal aufs Auge geblendet und es folgen weitere Ansichten der Pyramide.

Die erste Handlungsszene zeigt einen sogenannten „Empathy Test“, mit dem sich Replikanten entlarven lassen. Und prompt fliegt auch einer auf, der den Tester sofort erschießt und anschließend flieht. Daraufhin erhält der Blade Runner Deckard (Harrison Ford) den Auftrag, eben diesen flüchtigen Replikaten namens Leon (Brion James) samt einer Gruppe drei weiterer Nexus 6 Modelle in den „Ruhestand“ zu versetzen. Ein Euphemismus für Eliminierung. Im Original heißen solche Auftragsmorde „Skinjob“, was fälschlich mit „Haujobb“ übersetzt wurde.

Ein weiteres interessantes Detail für Insider ist im Polizeiauto zu entdecken, mit dem Deckard abgeholt wird. Dort erscheint auf einem Monitor eine Grafik, die absolut nichts mit diesem Film zu tun hat. Es handelt sich nämlich um die Andockklammern der Nostromo aus „Alien“. Der nächste Link zwischen den beiden Franchises.

Ansonsten wimmelt es in den Straßen von Schleichwerbung.

Nachdem Deckard zu dem Haujobb genötigt wurde, geht es erst einmal zur Tyrell Corp., was einen erneuten Flug über die Pyramide bedeutet, diesmal in der goldenen Morgenröte.

Wer ganz genau hinschaut, wird in einem der Fenster ein gigantisches Schachspiel entdecken.

Definitiv nicht zu übersehen ist die künstliche Eule der Minerva, auf die Deckard kurz nach seiner Ankunft überdeutlich von Rachael (Sean Young) hingewiesen wird.

Rachael verdeckt ihre rechte Hand und im Hintergrund sind ein Adlerpaar sowie ein Obelisk zu sehen. Man fühlt sich fast wie in einer Loge.

Kurz darauf gesellt sich Dr. Eldon Tyrell (Joe Turkel) hinzu und bittet Deckard, einen Empathy Test an Rachael vorzunehmen. Sie ist also ein Replikant, hat aber die allzu menschliche Angewohnheit, zu rauchen. Offenbar können auch Maschinen süchtig nach Nikotin werden. Zumindest versucht die Tabaklobby uns dies glauben zu machen.

Hinter Tyrell ist an der Wand eine Reihe Pyramiden zu sehen. Pyramiden in einer Pyramide, der Architekt muss ein Freimaurer gewesen sein…

Die nächste Station ist die Wohnung des flüchtigen Leon, bei deren Durchsuchung Deckard dessen Fotos beschlagnahmt. Über dem Eingang ist eine Neonbeleuchtung in Form einer grünen 666 zu sehen und natürlich gehören alle gesuchten Replikanten zur Modellserie Nexus 6. Allerdings sind es nicht nur drei, sondern vier Exemplare.

Unterdessen sucht Leon mit seinem Kumpel Roy Batty (Rutger Hauer) einen Augenmacher auf. Da wären wir also wieder bei diesem Symbol.

Der Augenmacher schickt die Replikanten weiter zu einem J.F. Sebastian (William Sanderson), der einst als genetischer Konstrukteur für Tyrell gearbeitet hat. Von ihm erhoffen sich die Replikanten eine Verlängerung ihrer Lebensdauer, denn ihr Verfallsdatum läuft schon bald ab. In seiner Wohnung gibt es neben einigen potthässlichen Androidenspielzeugen einen Greif zu sehen.

Deckard träumt unterdessen von ganz anderen Fabelwesen. Das Einhorn wird von Fans immer wieder als Indiz dafür interpretiert, dass Deckard selbst ein Replikant ist, ohne es zu wissen. Im Film taucht das Fabelwesen später noch zweimal auf.

Nach der Auszeit sieht Deckard einige der Beweismittel durch. Darunter ein Foto der Replikantenwohnung, auf dem er in einer Spiegelung eines der weiblichen Modelle sieht, sowie eine Schuppe, die zu einer Replikantenschlange gehört. Über die Seriennummer auf der Schuppe macht er den Verkäufer ausfindig, der ihm den Käufer nennen kann. Der Schlangenhändler trägt einen Fes, was in diesem Fall aber lediglich seine ägyptische Abstammung unterstreichen dürfte.

Die Spur führt zu einem anrüchigen Club in China Town, der mit illuminierten Pentagrammen dekoriert ist. Einige der Tänzerinnen treten zudem als Lady in Rot auf.

Ganz anders die gesuchte Replikantin Zhora (Joanna Cassidy), die mit der fraglichen Schlange tanzt. Damit wirklich jeder begreift, dass mit der Schlange Luzifer gemeint ist, wird sie mit folgenden Worten angekündigt:  „Sehen Sie, welche Lust sie von dem Wesen empfängt, welches einst die Menschen verdorben hat.“

Die künstliche Dame ist auch ohne ihr Accessoire eine Schlangenträgerin, denn sie hat sich eine Kobra ins Gesicht tätowieren lassen. Zunächst versucht sie, Deckard zu erwürgen, wird dabei jedoch gestört. Anschließend verfolgt er sie und kann sie auf der Flucht erschießen.

Nach getaner Arbeit gönnt sich der Blade Runner erst mal ein Budweiser. Schleichwerbung ist in diesem Film bald noch präsenter als okkulte Symbolik.

Der Replikant Leon, welcher mit der Toten liiert war, will nunmehr Rache an Deckard üben, doch wird er von Rachael erschossen. Nun wären es eigentlich nur noch zwei Haujobbs, aber die Polizei hat Wind davon bekommen, dass Rachael ebenfalls ein Replikant ist. Der Blade Runner soll sich auch um sie kümmern. Das tut er auf seine eigene Weise in seiner Wohnung. Doch töten kann er sie nicht. Vielleicht weil er selbst ein Replikant ist? In seinen Augen erscheint kurz derselbe künstliche Schimmer wie in ihren.

Wie zur Bestätigung fragt ihn Rachael, ob er sich selbst je einem Test unterzogen hat. Daraufhin passiert, was passieren muss, die beiden verlieben sich ineinander. Und im Prinzip war es doch nur das, was auch Leon und Zhora wollten. Die Replikanten sind nämlich zu Gefühlen fähig.

Nun ja, bis auf Pris (Daryl Hannah) vielleicht, die ihr Opfer J.F. Sebastian lediglich manipuliert. Was sie unter hübsch machen versteht, kennt man sonst nur von Schockrocker Marilyn Manson. Ob er sein Makeup wohl bewusst an „Blade Runner“ orientiert hat?

Übrigens leuchten auch Pris‘ Augen in einem bestimmten Winkel künstlich auf. Menschliche Augen tun dies eigentlich nur bei Blitzlicht, was man als Ärgernis von Fotos kennt. Hier wurde der Katzenaugeneffekt wohl ganz bewusst erzeugt, der durch eine Reflexion auf der Netzhaut entsteht.

In der Wohnung des genetischen Konstrukteurs findet sich übrigens ein weiteres Einhorn, welches unterschwellig andeutet, dass die Tyrell Corp. etwas mit Deckards Träumen zu tun haben könnte.

Weiterhin gibt es in Sebastians Wohnung ein Schachbrett mit Vogelfiguren, darunter natürlich eine Eule.

Schach ist ebenso die Zugangskarte zu seinem alten Arbeitsgeber, wo er den Replikant Roy Batty hinbringen soll. Der will endlich seine Lebenszeit und die von Pris verlängern, bevor sie abläuft. Bei Tyrell angekommen, wartet erst mal wieder die Eule, diesmal mit Betonung auf das allsehende Kybernetikauge.

Als Roy seinem Schöpfer begegnet, kann dieser ihm nicht helfen. Die künstliche DNA, welche die Lebenszeit der Replikanten limitiert, so wie die Telomerase übrigens die menschliche Lebensdauer limitiert, lässt sich nicht nachträglich verändern. Frustriert über diese Offenbarung, küsst Roy seinen Schöpfer erst, um ihn anschließend um seine Augen zu erleichtern. Muss wohl ein Todeskuss gewesen sein und ist daher in diesem Fall nicht homoerotisch.

Nach dem Doppelmord an Tyrell und Sebastian lässt sich Deckard die Adresse von letzterem geben, wo Pris prompt ans Bildtelefon geht. Er weiß nun, wo er die letzten beiden Haujobbs findet. Pris leistet zwar Widerstand, doch kann er sie überwältigen und erschießen. Roy trifft zu spät ein und kann nur noch um sie trauern. Seine Zeit läuft ebenfalls ab und das liegt nicht einmal an seinem Verfolger, sondern an seiner Programmierung. Bevor er die Kontrolle über seine eigenen Hände verliert, bricht er aber erst noch Deckard ein paar Finger. Der flüchtet sich in ein Bad mit Schachbrettmuster.

Der Replikant will nicht nur sprichwörtlich mit dem Kopf durch die Wand, sondern durchschlägt selbige mit seiner Abrissbirne direkt durch das Schachbrett.

Deckard flüchtet sich aufs Dach, wo er beim Sprung auf ein benachbartes Gebäude fast in den Tod stürzt. Überraschend nutzt Roy seine verbliebene Lebensenergie, um ihn zu retten. In seinen letzten Momenten erzählt der sterbende Replikant, was er alles an der Schulter des Orion und am Tannhäuser Tor gesehen hat. Letzterer Ort wird in der Science Fiction des Öfteren zitiert, darunter in „Starforce Soldier“, der ursprünglich sogar im „Blade Runner“-Universum angesiedelt sein sollte, und in der deutschen Serie „Dark“.

Zum Schluss lässt Roy noch eine weiße Venustaube starten und das war‘s dann für ihn.

In der ursprünglichen Kinoversion fährt Deckard mit Rachael raus in die Natur, doch im Final Cut verlässt er lediglich seine Wohnung mit ihr und findet dabei ein Origami-Einhorn, das ihm der Cop Gaff (Edward James Olmos) hinterlassen hat. Wieder eine Anspielung darauf, dass er selbst ein Replikant sein könnte

Fazit: Auch wenn einige „Blade Runner“ mit dem Wissen um die Symbole in Zukunft mit anderen Augen sehen werden, ist er dennoch ein beachtenswerter Film mit philosophischem Tiefgang. Er stellt die Frage, ob künstliche Intelligenzen ein Recht auf ein erfülltes Leben haben? Oder ob wir Menschen das Recht haben, fühlende Wesen zu erschaffen, um sie zu versklaven? Darüber hinaus hat der Streifen wegweisende Spezialeffekte und einen eingängigen Soundtrack von Vangelis (1943-2022), welcher exakt zehn Jahre nach „Blade Runner“ noch einmal mit Ridley Scott an dessen Film „1492 – Eroberung des Paradieses“ zusammenarbeitete.

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