von Joe Doe
Um den Devils Tower im Nordosten von Wyoming (USA) ranken sich seit jeher Mythen. Für die amerikanischen Ureinwohner ist er ein heiliger Berg, während die europäischen Eroberer die ungewöhnliche Form des Berges dem Teufel zuschrieben. Die Kiowa nennen ihn aufgrund seiner Form „Tso-aa“ (Dt. „Baumfels“), doch der englische Name hat sich weitgehend durchgesetzt.
Tatsächlich handelt es sich beim Devils Tower, wie auch beim australischen Uluru/Ayers Rock, um einen Härtling. Also um eine Felsformation, die härter als ihre Umgebung ist und daher zurück bleibt, nachdem das umgebende Gestein durch Erosion abgetragen wurde. Der Devils Tower ist vulkanischen Ursprungs, etwa 265 Meter hoch und rund 150 Meter im Durchmesser. Soweit die nüchternen Fakten zum sicherlich eindrucksvollen Naturmonument.
Die erste Verbindung zu etwas Überirdischem geht auf eine Legende der Kiowa zurück. Demnach sollen sieben Mädchen eines nahen Dorfes von Bären verfolgt worden sein. Sie kletterten auf einen Felsen und flehten diesen an, sie zu retten. Daraufhin wuchs der Felsen in die Höhe, wobei die Bären sich festkrallten. So erklärten sich die Kiowa die Kratzspuren. Die sieben Mädchen erreichten derweil den Himmel, wo sie als Sternformation der Plejaden verblieben.
Bei dieser Sage handelt es sich selbstverständlich nur um eine phantasievolle Parabel auf die Entstehung des Baumfels, welcher wohl jeden Nichtgeologen vor Rätsel stellt. Hinzu kommt noch eine Prise Astrologie und fertig ist der Mythos. Mit Außerirdischen oder gar Dämonen hat das rein gar nichts zu tun.
Interessanter sind da schon die Überlieferungen der Sioux-Stämme, deren legendäre Kulturbringerin White Buffalo Woman am Baumfels erschienen sein soll. Sie traf dort auf zwei Brüder auf der Jagd, von denen einer sie sexuell bedrängte. Daraufhin soll sie ihn mit einem Blitzschlag getötet haben.
Anhänger der Prä-Astronautik kommen da natürlich schnell auf den Gedanken, dass die weiße Büffelfrau eine Außerirdische mit einer Strahlenwaffe gewesen sein könnte. Der Umstand, dass sie die Stämme ihre heiligen Riten lehrte und sich anschließend in ein Büffelkalb verwandelt haben soll, verstärkt diesen Verdacht. Kulturbringer, die wie aus dem Nichts erscheinen oder direkt vom Himmel herabsteigen, gibt es überall auf der Welt und magische Verwandlungen könnten durch Hologrammtechnologie erklärt werden. Oder schlichtweg durch Sinnestäuschungen.
Was auch immer damals wirklich geschah, es hat dazu beigetragen, dass der Baumfels heute mit UFOs und dem Paranormalen in Verbindung gebracht wird. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass es am Devils Tower eine Häufung von UFO-Sichtungen gibt, die über das normale Maß hinaus geht. Vielleicht finden einige Besucher von Außerhalb den Anblick genauso faszinierend wie wir Menschen, aber nichts deutet darauf hin, dass der Berg etwa eine geheime UFO-Basis ist. Dies implizieren allein Hollywood-Filme. In der Realität ist der Devils Tower kein Sperrgebiet, sondern frei zugänglich.
Die moderne Legendbildung begann 1977 mit Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der 3. Art“. In diesem hat der Kleinstädter Roy Neary (Richard Dreyfuss) nach einer Begegnung mit einem UFO Visionen vom Devils Tower und baut diesen als Modell in seinem Wohnzimmer nach.
Jillian Guiler (Melinda Dillon) hat ebenfalls eine unheimliche Begegnung, bei der ihr Sohn von Außerirdischen entführt wird. Auch sie hat Visionen vom Devils Tower, die sie zu Papier bringt.
Schließlich treffen Roy und Jillian in Wyoming aufeinander und dringen durch die militärische Absperrzone zum Berg vor. Die Regierung hat das gesamte Gebiet unter dem Vorwand eines Unfalls mit Nervengas evakuiert, um die Kontaktaufnahme mit den Außerirdischen zu vertuschen.
Ob sich die Drehbuchautoren dabei an indigenen Legenden orientiert haben, darf bezweifelt werden. Die religiösen Implikationen sind nämlich offensichtlich. Der Film beginnt bereits mit dem biblischen „Es werde Licht“ und sogar die Eröffnung des Filmsoundtracks ist mit „Opening: Let There Be Light“ betitelt. Weiterhin sieht sich der Protagonist Roy Neary mit seinen Kindern die Exodus-Szene des Films „Die 10 Gebote“ im Fernsehen an.
Der Charakter Neary stellt sogar ganz offiziell einen Ungläubigen dar, der aufgrund eines Erleuchtungserlebnisses zum Gläubigen wird. Nur entwickelt er sich eben nicht vom Atheisten zum Christen, sondern vom UFO-Skeptiker zum UFO-Gläubigen. Mit anderen Worten werden die Außerirdischen an die Stelle Gottes gesetzt. Ihre Ankunft ausgerechnet am Devils Tower kann dabei schon als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden.
Die Grey Aliens sind mitnichten göttlich, sondern vielmehr teuflisch. Das erklärt auch, warum dem Auftauchen ihrer Raumschiffe ein gruseliges Wolkenspektakel vorausgeht, wie man es sonst eher aus Filmen wie „Ghostbusters“ kennt. Außerirdische würden einfach vom Himmel herabkommen, hier scheint sich dagegen ein Dimensionstor zu öffnen.
Aus diesem kommen zunächst einmal Orbs heraus. Über diese glühenden Lichtbälle gibt es weltweite Sichtungsmeldungen, die in den meisten Fällen nahe legen, dass es sich nicht um eine Form von Technologie handelt.
Danach folgt das große Mutterschiff der Grey. Ein kleiner Insidergag am Rande: An dem Raumschiff ist ein R2D2 verbaut, der auf die Freundschaft zwischen Steven Spielberg und George Lucas zurückgeht.
Aus dem Mutterschiff steigen zunächst entführte Menschen, darunter vermisste Piloten, die im Bermudadreieck verschollen sind. Der Film beruft sich hier auf den Flug 19, bei dem am 5. Dezember 1945 ganze fünf US-Bomber verschwunden sind. Das ist bei weitem nicht die einzige reale Vorlage.
Das Aussehen der Grey-Aliens hat sich ebenfalls nicht Hollywood ausgedacht, was immer gern als Argument gegen das Entführungsphänomen behauptet wird. Vielmehr hat sich Hollywood auf Erfahrungsberichte von Entführungsopfern gestützt. Dies wird spätestens durch den Cameo-Auftritt des Astronomen J. Allen Hynek (1910-1986) deutlich, da er für das Project Blue Book arbeitete. Er durchlebte ebenfalls eine Wandlung vom Saulus zum Paulus, da er erkennen musste, dass seine Erklärungsmodelle für UFOs nicht auf alle Sichtungen angewendet werden konnten.
Im Film werden sogar große und kleine Grey gezeigt. Eine Unterteilung, die von so ziemlich allen Entführungsopfern bestätigt werden kann.
Nur die Köpfe haben die Filmemacher nicht ganz exakt hinbekommen. Sie wirken viel zu menschlich, was eine absichtliche Verniedlichung darstellen könnte.
Zum Schluss des Films darf Neary als Auserwählter das Mutterschiff der Grey besteigen. Ein ebenfalls biblisches Entrückungsszenario, welches hier mittels Außerirdischen umgedeutet wird. Um dies zu unterstreichen, werden die Abgesandten der Erde vorab noch von einem Pfaffen gesegnet.
„Unheimliche Begegnung der 3. Art“ sollte nicht der einzige Science Fiction Film bleiben, in dem der Devils Tower eine zentrale Rolle spielt. In der Komödie „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ von 2011 müssen die zwei Nerds Graeme Willy (Simon Pegg) und Clive Gollings (Nick Frost) den Grey-Alien Paul, den sie bei der Area 51 aufgelesen haben, zum Devils Mountain bringen. Der stand allerdings ohnehin auf ihrer Route, da sie von der San Diego Comic Con aus alle Sci Fi Sehenswürdigkeiten der USA besichtigen wollten. Von daher ist es fraglich, ob der Film hier einfach nur eine Hommage auf „Unheimliche Begegnung der 3. Art“ beabsichtigt, oder selbst etwas implizieren möchte.
Die Landung einer fliegenden Untertasse vor sowie das Auftauchen eines Mutterschiffes über dem Devils Tower ist auf jeden Fall eine Hommage.
Die Bekehrung einer christlichen Fundamentalistin durch Paul dürfte dagegen für Evangelikale als eindeutiger Hinweis auf die dämonische Natur der Grey verstanden werden. Allerdings ist deren Weltsicht dermaßen beknackt, dass sie selbstverständlich von jedem Kontakt mit Außerirdischen erschüttert werden würde. Von daher sind betreffende Szenen als atheistischer Humor und nicht antichristlich zu verstehen.
Etwas okkulter ist da schon die Heilung des linken Auges von Ruht (Kristen Wiig) durch Paul. Das erinnert schon sehr stark an die Geschichte von Horus.
Abgesehen davon kann „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ aber nicht so eindeutig interpretiert werden wie „Unheimliche Begegnung der 3. Art“. Er spielt zwar direkt auf diesen an, aber eben aus der Sicht von Sci Fi Nerds.
Ganz anders sieht es da schon beim Disney-Film „Die Jagd zum magischen Berg“ aus dem Jahr 2008 aus. In diesem stranden zwei außerirdische Kids, die wie Menschen aussehen, auf der Erde. Im gesamten Film wird ihr humanoides Aussehen jedoch unterschwellig infrage gestellt, da überall Abbilder von Grey-Aliens zu sehen sind. Laut zahlreichen Entführungsberichten züchten die Grey Hybriden, deren menschlichste Versionen wie blonde Menschenkinder aussehen. Also wie die Kids im Film.
Um eine Invasion der Erde zu verhindern, müssen sie schnellst möglich zu ihrem abgestürzten Raumschiff, welches in eine geheime Militärbasis verbracht wurde. Diese liegt zwar nicht im Devils Tower, sondern im fiktiven Witch Mountain. Damit wird dennoch einmal mehr ein Berg mit UFOs und Okkultismus in Verbindung gebracht.
Der Witch Mountain ist sogar Teil des englischen Originalfilmtitels und zwar sowohl des Remakes von 2008 als auch der ersten Verfilmung von 1975. Die deutsche Übersetzung hält sich derweil nur beim alten Film an den Originaltitel, der „Die Flucht zum Hexenberg“ lautet. Und da dachte man seit Jahrhunderten, der Hexenberg wäre der Brocken im Harz…
Was derweil den Devils Tower angeht, ist und bleibt dieser schlichtweg nur ein Berg. Seine okkulte Bedeutung ergibt sich weder aus seiner Existenz noch aus indigenen Legenden, sondern schlichtweg aus der Namensgebung durch die europäischen Eroberer sowie der Interpretation durch die moderne Science Fiction.